150 Jahre Saatzuchtfirma : W. von Borries
Geschichte des Hauses
Der Anfang der
Runkelrübenzüchtung
(1849-1890)
Wilhelm v. Borries (1815-1890) übernahm 1846 die Bewirtschaftung des väterlichen Betriebes in Eckendorf. Sein Interesse galt zunächst allen produktionstechnischen Fortschritten der damaligen Zeit. Er unterhielt eine hervorragende Schafzucht und Rindviehhaltung. Auf der Suche nach besserem Grundfutter für diese Tierhaltung stieß er auf die Runkelrübe, die er anstelle der Brache anbauen wollte. Er sammelte Saatgut verschiedener Herkünfte, vorwiegend aus Deutschland und England, ließ diese Herkünfte gemeinsam abblühen und entwickelte daraus seit 1849 durch intensive Massenselektion die bis dahin unbekannte Walzenform.
Diese Walzenform (siehe die von Wilhelm v. Borries gezeichnete Skizze) zeichnete sich durch viel Masse, schmales festes Blatt (gut für die Handrodung) und geringen Schmutzbesatz aus (günstig für die Verfütterung). Schon bald setzte eine große Nachfrage nach diesem Eckendorfer Walzentyp ein. Ab 1880 erfolgten die ersten internationalen Saatgutverkäufe. Als Wilhelm von Borries 1890 starb, waren die Eckendorfer roten und gelben Walzen in allen europäischen Ländern bekannt, in den meisten sogar marktführend.
Die Erweiterung und
Intensivierung
(1890-1919)
Nachfolger von Wilhelm von Borries wurde sein Sohn Hermann. Die Züchtung übernahm dessen Schwager, Hardnak von Vogelsang. Dieser intensivierte die Eckendorfer Runkelrübenzüchtung durch Einführung der Gruppenzüchtung (einer speziellen Massenselektion) in Kombination mit der Mutterstammbaumzüchtung. 1893 errichtete er das erste Futterrübenlabor in Hovedissen. Zunächst wurde mit Hilfe der Polarisationsmethode der Zuckergehalt bestimmt, danach das spezifische Gewicht und schließlich die wasserlösliche und gravimetrische Trockensubstanz ermittelt. Assistiert wurde ihm dabei von verschiedenen wissenschaftlichen Mitarbeitern, darunter Dr. Hans Lang (1902-1908), Dr. E. Tritzschler (1908-1918) sowie zeitweilig Dr. J. Wacker.
Darüber hinaus erweiterte Hardnak von Vogelsang das Zuchtprogramm. 1888 begann er als einer der ersten mit der Veredelung der kanadischen Wintergerstensorte Mammuth.
Gleichzeitig begannen seine Selektionen aus schottischen Squarheadweizen und die Züchtung zur Ackerbohnensorte "Eckendorfer Feldbohne". Diese beiden Pflanzenarten wurden jedoch im Rahmen der Sortenbereinigungen der 30-er Jahre wieder aufgegeben.
In diesen Jahren (1888) wurde auch das erste Lagerhaus in Eckendorf errichtet. Von besonderer Bedeutung war dabei die Heiß-wasserbeizanlage zur Bekämpfung des Flugbrandes bei Gerste.
Veränderungen nach dem 1. Weltkrieg (1919-1964)
Nach dem 1. Weltkrieg verpachtete Hermann von Borries die Eckendorfer Saatzucht an den Hamburger Samenhandels- und Exportkaufmann Thomas Morgan. Mitgesellschafter wurde Herr Albert Kabisch. Die Pachtfirma wurde unter dem Namen "W. von Borries-Eckendorf oHG" geführt. Die züchterische Oberleitung und Gesamtberatung lag weiterhin bei Hardnak von Vogelsang. Als neuer Züchter wurde Dr. Rudolf Weck eingestellt, der nach dem Ausscheiden von Herrn Kabisch 1940 auch Gesellschafter der Firma wurde.
Dr. Weck führte die Futterrübenzüchtung nach altbewährter Weise weiter mit der Folge, dass die Eckendorfer Runkelrüben einen überragenden Marktanteil in Deutschland erreichten. Darüber hinaus erweiterte er das ' Zuchtprogramm durch eine intensive Flachszüchtung (ab 1918). Hinzu kamen Mohn (seit 1919), Steckrüben (1926), Hafer (seit 1928) und Trockenbuschbohnen (1941). Diese Pflanzenarten wurden nach dem 2. Weltkrieg mit Ausnahme des Hafers wieder aufgegeben.
1939 starb Hermann von Borries. Erben waren seine beiden Töchter Hella von Unger (in zweiter Ehe verheiratete von Caprivi) und Ida-Marie Gräfin v. der Schulenburg. Die Verpachtung der Eckendorfer Saatzucht an Herrn Thomas Morgan und Dr. Rudolf Weck wurde fortgesetzt.
1938 wurde Dr. Walter Wichmann als neuer Züchter eingestellt. Schwerpunkt seiner züchterischen Arbeit war der Beginn der Heterosis- und Polyploidiezüchtung bei Futterrüben, der Start der Sommerrapszüchtung sowie die Intensivierung der Wintergerstenzüchtung. "
Eine besonders schwierige Aufgabe der Nachkriegszeit bestand in der Neuorganisation der Rüben-samenvermehrungen, da diese vor dem Krieg zu 90% in Mittel- und Ostdeutschland gelegen hatten. In kürzester Zeit konnte Dr. Weck durch den Vermehrungsaufbau in Westdeutschland und im besonderen in Italien sowie durch eine Straffung des Vermehrungs- und Vertriebssystems den Vorkriegsstand wieder erreichen und sogar übertreffen.
Die Zeit der Kooperationen (1964-1997)
1964 übernahm Dr. Leopold Graf v. der Schulenburg, Ehemann der Ida-Marie,* von Borries (siehe oben) zusammen mit Dr. Wichmann die Saatzuchtfirma. 1965 trat Eckendorf der Saaten-Union GmbH in Hannover bei (siehe Seite 10). Zuvor war bereits Dr. Hardnak Graf v. der Schulenburg als Züchter eingestellt worden. Zur Saaten-Union gehört auch das 1984 gegründete Resistenzlabor (siehe Seite 14) für biotechnische Arbeiten, das in Hovedissen etabliert wurde. 1967 erfolgte die Gründung der International Breeders Association (ISA), zu deren Zustandekommen die Eckendorfer Saatzucht mit ihren internationalen Kontakten wesentlich beigetragen hatte. Schließlich wurde 1974 der Rapool-Ring gegründet, um auch beim Raps den Vertrieb zu konzentrieren und die
Züchtungsforschung und Sortenentwicklung zu fördern.
1976 erfolgte eine Verjüngung der Gesellschafter der Pachtfirma. Seit dieser Zeit wurde die Saatzucht von der vierten Züchtergeneration geleitet: Dr. Wilhelm Graf v. der Schulenburg, Dr. Hardnak Graf v. der Schulenburg (beides Söhne von Ida-Marie,* v. Borries, siehe oben) und Dr. Wolf v. Dallwitz (Schwiegersohn von Hella,* von Borries, siehe oben).
Züchterisch konzentrierten sich die Arbeiten in dieser Zeit auf die Entwicklung von genetisch monogermen triploiden Futterrübensorten mit Hilfe des pollensterilen Hybridverfahrens. Zugleich wurde die Wintergerstenzüchtung wesentlich intensiviert. Erfolge der Wintergerstenzüchtung blieben nicht aus: Sorten wie MAMMUT (1978-1998), GRETE und KRIMHILD gehörten zu den führenden Sorten im Wintergerstensortiment. Auch bei Sommerraps stellten sich Erfolge ein, wie die erste europäische Doppelqualitäts-Sommerrapssorte ERGLU und die Futterrapssorte JUMBO. Nach der Energiekrise 1974 wurden verschiedene Projekte zu nachwachsenden Rohstoffpflanzen begonnen. Zu diesen Pflanzenarten zählen: Äthanolrübe, Flachs, Amyloseerbse, Euphorbia lathyris, Euphorbia lagascae und Koriander. Diese Arbeiten wurden jedoch in den 90-er Jahren eingestellt. Stattdessen wurden schon in den 80-er Jahren neue Zuchtprogramme bei Winterweizen, zweizeiliger Wintergerste und Triticale begonnen. Erste Erfolge zeichnen sich ab. 1997 wurde das ursprünglich aus dem Jahre 1919 stammende Pachtverhältnis aufgelöst. Eigentümer der inzwischen neu gegründeten Firma "W. von Borries - Eckendorf GmbH & Co." sind seither die Familie Dr. Wilhelm Graf v. der Schulenburg, Wolf-Friedrich von Daliwitz und die Norddeutsche Pflanzenzucht Hans-Georg Lembke KG (NPZ).
Die internationalen Kontakte wurden ausgebaut. So besteht .seither eine intensive züchterische Zusammenarbeit mit führenden Saatzuchtfirmen aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Dänemark, die zusammen mit neuen Impulsen aus der Zusammenarbeit mit der NPZ die Zukunft der Eckendorfer Saatzucht sichern und ausbauen werden.